Gedanken zum Thema Identität

Pakkutaq Wildhausen hat sein ödes Leben auf Grönland satt. Er weiss gar nicht, was er da soll und sehnt sich sehr nach Veränderung. Doch er hat Angst, Angst vor Veränderung und Angst davor herauszufinden, wer er ist. 

"Ich sah mein Spiegelbild in der Fensterscheibe, die dunklen Augen, das schwarze, zottlige Haar, sah den Schatten auf meiner Seele und streckte mir die Zunge raus. Pakkutaq Wildhausen! [...] Ich verkroch mich vor dem Leben, weil ich nicht wusste, in welche Richtung es gehen sollte. Wieder sah ich das Bild des Jungen dort in der Fensterscheibe, leicht vorgebeugt, als erwartete er etwas, das ihm die Entscheidung abnahm." 
(Franz, 2012, S. 63-65)

Aber von wo kommt diese Verlorenheit?

Pakku lebte während seinen ersten neun Lebensjahren bei seiner Grossmutter in Deutschland. Als die unterwartet starb, musste er zu seinem Vater nach Grönland umziehen. Grönland, ein Land, das nicht ansatzweise so ist wie Deutschland. Eine andere Sprache, lauter neue Leute und erst die Natur und das Wetter. Ich denke ein solcher Umzug ist kein einfacher Schritt, erst recht nicht im Alter von neun Jahren. Noch zusätzlich hat Pakku seine Hauptbezugsperson, seine Grossmutter, von einen auf den anderen Tag verloren. So etwas geht nicht spurlos an einem vorbei. Wahrscheinlich ist dies einer der Gründe, weshalb sich Pakku auch einige Jahre später noch so viele Gedanken über seine Identität gemacht hat und die erstbeste Gelegenheit nutzte Grönland zu verlassen. 

Nach seinem Verschwinden von Grönland nimmt Pakku eine neue Identität an. Auch wenn es lediglich einen neuen Namen und einen neuen Pass bedeutet, trotzdem, dies beeinflusst eine Person mehr, als man denkt. Dazu kommt, dass Pakku in Deutschland niemanden kennt und niemand kennt ihn. Dies kann einem einerseits den Mut geben, sich neu zu erfinden, andererseits kann es aber auch total verwirren und noch mehr Fragen aufwerfen. 

Als Pakku oder besser gesagt Jonathan, sich Jahre später wieder auf nach Grönland macht, hat er sich in Deutschland zwar eine Existenz aufgebaut, jedoch ist sein Kopf immer noch voller Fragen über seine Herkunft und seine Identität. Am Schluss des Buches wird eine Szene beschrieben in der Pakku endlich sehr zufrieden und glücklich wirkt.

Aber wie kam diese Kehrtwende? Wie hat Pakku mit sich selber Frieden geschlossen?

Während seines ganzen Lebens hatte Pakku nie wirklich eine konstante Bezugsperson. Auf Grönland lebte er zwar bei seinem Vater, der war jedoch die meiste Zeit mit Alkohol zugedröhnt. Pakku fehlte etwas wie eine Familie. 

Wenn wir ehrlich sind und unser Verhalten, unsere Gewohnheiten und unsere Werte mal ganz genau betrachten, wie viel davon haben wir uns von unseren Eltern oder Geschwistern abgeschaut? Eine Familie ist etwas Ausschlaggebendes, wenn es um die Entwicklung einer Identität geht. Sie formt uns und sie lehrt uns. Unter Geschwistern nimmt jeder seinen Platz ein, jemand ist der Kluge, der andere ist der Kreative. Ich denke nicht, dass dies immer nur fördert, es kann auch dekonstruktiv sein. Aber es ist eben das, was uns und unsere Identität von Tag eins an prägt.


Pakku hatte also diese familiäre Geborgenheit nie und somit hat ihm auch dieser geschützte Rahmen für die Entwicklung einer Persönlichkeit gefehlt. Am Schluss des Buches hat aber Pakku seine eigene kleine Familie und er konnte seine Vergangenheit nochmals durchforschen, Fragen haben sich geklärt und Vergebung hat stattgefunden. Ich denke, dies sind die Gründe, weshalb Pakku endlich Frieden schliessen konnte, mit sich selber und der Welt. 

Quelle:
Franz, C. (2012). Ins Nordlicht blicken. München: dtv.

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