Brief von Maalia an Pakkutaq

Lieber Pakkutaq

Ich weiss gar nicht, wie ich diesen Brief beginnen soll. Ich finde keine Worte, dass zu sagen, was ich fühle. Schon so viele Male habe ich versucht diesen Brief zu schreiben. Ich weiss nicht, ob dich mein Schreiben je einmal erreichen wird. Aber ich vermisse dich! Ich vermiss dich so sehr.

Ich habe versucht, ohne dich weiter zu leben und so zu tun, als ob alles schon immer so gewesen ist. Aber es funktioniert nicht. Das was ich für dich empfinde, kann ich nicht einfach ausblenden. Auch wenn wir nicht beste Freunde oder ein Paar waren, kommt es mir vor, als wärst du schon immer ein Teil von meinem Leben gewesen.

Seit du nicht mehr da bist, ist die Arbeit bei Sven im Fischschuppen einfach noch öder und unerträglicher geworden, wie sie eh schon war. Ich weiss nicht, ob du das gewusst hast, aber du warst meine Motivation jeden Tag aufzustehen und zur Arbeit zu gehen.

Ich hoffe, einfach es geht dir gut, da wo du jetzt bist. Ich weiss nicht, ob es die Suche nach dir Selbst ist oder nach dem Sinn des Lebens, der dich weg von Grönland getrieben hat. Aber ich weiss, dass du Grönland verlassen musstest. Du musstest ausbrechen um dir zu beweisen, dass Leben mehr bedeutet als jeden Tag Krabben zu pullen. Grönland, das war einfach nicht deine Welt. 

Vielleicht interessiert dich das Leben in Nuuk gar nicht mehr, aber falls du es wissen möchtest. Deinem Vater geht es gar nicht gut, er vermisst dich sehr und macht sich viele Vorwürfe. Er denkt, dass er dir nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt hat. Ich glaube wirklich, es tut ihm sehr leid. Aqqualuk und Ingvar sprechen nicht viel über dein Verschwinden, aber man merkt ihnen an, wie sehr du ihnen fehlst.

Da mir dein Verschwinden sehr nahe ging, musste ich mit jemandem darüber sprechen. Anga war der Einzige, der mir richtig zu gehört hat. Es tut mir leid, dass ich dich verraten habe, aber es beschäftigt mich einfach zu sehr. Anga hat versprochen, dass er nichts weitererzählt. Es tat so gut, mit jemandem darüber zu sprechen, er hat mich auch dazu ermutigt diesen Brief zu schreiben.

Ich denke, dieser Brief ist eine Art Abschiedsbrief. Ich werde dich nie vergessen, aber ich muss mit dieser Trauer abschliessen. Und wer weiss, vielleicht sieht man sich irgendwo, irgendwann wieder.

Ich wünsche dir von Herzen, dass du das finden mögest, wonach du suchst.

Herzliche Grüsse


Deine Maalia

Quelle:

Franz, C. (2012). Ins Nordlicht blicken. München: dtv.

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